Sonntag, 18. Januar 2009

Radtour durch Südindien - Verkehr ohne Ende?
















Radtour Südindien Oktober 2008


Verkehr aus der Sicht eines Radfahrers



Eigentlich herrscht in jedem noch so kleinem Ort mit einer Durchgangsstraße ein Verkehrschaos. Verkehr heißt in Indien vor allem Mopeds, Motorräder, Busse und erst dann Autos und Lastwagen. Auffällig ist, dass die mittlere Geschwindigkeit in Vergleich zu Deutschland deutlich niedriger ist. Die Geschwindigkeit des normal fließenden Verkehrs in einer mittleren indischen Stadt würde in Deutschland schon als stockend oder zähfließender Verkehr Eingang in die Verkehrsnachrichten finden.

Als Radfahrer ist es sehr angenehm, dass die Geschwindigkeitsunterschiede nicht so groß sind. Der Verkehr läuft zwar völlig ungeregelt ab, dafür aber mit sehr geringen Geschwindigkeiten. Es gibt so gut wie gar keine Ampeln. Selbst in größeren Orten findet sich manchmal keine einzige Ampel, trotzdem läuft der Verkehr. Zu echten Staus kommt es vor allem, wenn eine Fahrspur blockiert ist, ansonsten kommen die Fußgänger auch ohne Ampeln über die Straße und Fahrzeuge aus Seitenstraßen finden immer einen Weg sich auf die Hauptstraße zu drängen.

Der Lärmpegel ist jedoch in jedem noch so kleinem Ort unerträglich hoch. Es wird gehupt, gehupt und noch mal gehupt. Hupen ist eine Art der Kommunikation: hallo, hier komme ich, aufgepasst, ich bin auch da. Hupen ist ein Automatismus, es braucht keinen Grund, es findet einfach immer statt. Als jemand, der nicht in einem abgeschlossenem Auto sitzt, ist dieser Lärm unerträglich. Die geltende Hierarchie wird mit dem Huben zu Ausdruck gebracht.

Als extrem lebensbedrohlich haben sich Busfahrer herausgestellt. Sie fahren rücksichtslos, oftmals viel zu schnell und drängen vor allem Mopeds, Fahrräder und Fußgänger von der Straße, nach dem Motto: flieh oder stirb. Überholt wird immer und überall, ob links oder rechts, ob jemand behindert wird oder nicht, es wird immer überholt.


Selbst kleine Orte scheinen im Verkehrschaos zu ersticken. In Indien ist der Verkehr viel weniger stark reglementiert als in Deutschland. Wir haben trotzdem in den 2 Wochen keine Unfälle erlebt. Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass das Verkehrsaufkommen so hoch ist, dass alle ständig mit Allem rechnen. Es gibt eigentlich keinen Moment, indem man sich alleine auf der Straße befindet. Das schärft die Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu indischen Städten ist die Verkehrsdichte bei uns viel geringer. Man hat immer wieder Phasen, in denen man allein zu sein scheint oder in denen alles wohl geordnet abläuft, um dann plötzlich doch jemanden vor sich zu haben, der unvermutet aus einer Seitenstraße oder einer Einfahrt kommt.




Außerhalb der Orte haben die meisten Straßen keinen Mittelstreifen und sind für unsere Verhältnisse sehr eng. Hinzukommen Straßenschäden. Man kann beim Bergabfahren z.B. nicht darauf vertrauen, dass die Straße einigermaßen zu befahren ist, ganz plötzlich tun sich tiefe Schlaglöcher - eher Krater - auf, die schlicht nicht zu durchfahren sind, man muss auf die Gegenfahrbahn, um nicht zu stürzen. Zudem wird aus einer gut zu befahrenden Landstraße ganz plötzlich eine Schlaglochpiste oder eine "dirt road", die bestenfalls mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h zu befahren ist.
















Während das Hupen in den Orten überflüssig zu sein scheint und nur nervt, kann es in den Bergen lebensrettend sein. Wir sind viele Teile unserer Tour durch bergiges Hinterland und Nationalparks gefahren, die uns bis auf etwa 1100 m über Meeresniveau geführt haben. Auf diesen Straßen war es wertvoll einen heranbrausenden Bus frühzeitig zu hören. Wie bereits gesagt, war an der Art und Lautstärke der Hupe schon zu hören, mit wem man zu rechnen hatte. Die allergrößte Gefahr ging von Bussen aus. Diese fahren in der Regel rücksichtslos, nur auf das eigene schnelle Vorankommen bedacht. Mopeds, Radfahrer und Fußgänger scheinen Luft zu sein. Rette sich wer kann!

















Der größte Teil der Schüler wird mit Schulbussen gefahren. Und Kinder gibt es in Indien bekanntlich unendlich viele. Auf dementsprechend viele Busse trifft man 3 km vor und 3 km hinter jedem noch so kleinem Ort. Und die Busse sind in der Regel nicht nur voll, sie sind überfüllt.



Das gleich gilt für Jeeps, in denen Kinder zur Schule gefahren werden: Offiziell mit 8 Sitzplätzen ausgestattet, beherbergen sie oftmals gut 20 Schüler. Radfahrer gibt es auch, innerhalb der Orte ist es das Verkehrsmittel für alte Menschen, Kinder und Jugendliche, allerdings sitzen in Regel mindestens 2, häufig sogar 3 Kinder auf einem Rad.








Fährt man in einem Auto oder einem Bus mit, dann steht einem der Angstschweiß auf der Stirn: es wird extrem risikoreich überholt. Zum Glück kennen die Fahrer die Straßenverhältnisse. Wenn der Fahrer scheinbar ohne jeden Grund plötzlich auf Schrittgeschwindigkeit abbremst, dann sind es die erwähnten Krater in der Straße, die es zu umfahren gilt, wenn man nicht einen Achsbruch riskieren will. Verkehrsüberwachung durch die Polizei gibt es hier anscheinend überhaupt nicht, jedenfalls haben wir keinen einzigen Polizeiwagen wahrgenommen. Die meisten Mopeds, Motorräder und Kleinwagen fahren mit geringer Geschwindigkeit durch die Orte. Anders sieht es zum Beispiel bei den Geländewagen aus: je teurer der Wagen, desto schneller wird er in der Regel gefahren. Es scheint eine unausgesprochene Rangordnung unter den Fahrzeugen zu geben: Je größer und teurer, mit desto mehr Vorfahrtsrechten sind die Fahrer ausgestattet.






Aufgrund des Mangels an begehbaren Fußwegen, nutzen alle Menschen gleichmäßig die Straßen in den Orten. Menschen gehen zu dritt nebeneinander auf der Straße, hinzukommen die „Autorikschas“ oder „Motorikschas“, die auf 3 Rädern sich mit Mopedgeschwindigkeit durch die Stadt bewegen. Die allermeisten Taxis sind solche Motorikschas. Sie bringen die Menschen von den Bushaltestellen zu ihren Wohnorten. Durch ihre große Anzahl bestimmen sie das Stadtbild. Auffällig im Vergleich zu Deutschland ist die große Zahl von Fußgängern, die sich ständig auf den Straßen befinden, auch zwischen den Orten ist das Zufußgehen sehr angesagt.



Weitere Reiseberichte zu Radtouren in Indien

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